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Konsequenzen des BGH-Urteils zur Härtefallregelung bei Modernisierung

Vermieter dürfen die Kosten für Wohnungsmodernisierungen auf die Miete umlegen. Doch Mieter haben die Möglichkeit, sich dagegen zu wehren, indem sie einen Härtefall geltend machen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in seinem Urteil vom 9.10.2019 mit dem Thema befasst und in einigen Punkten für Klarheit gesorgt.

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Der konkrete Fall

Monatlich 463,10 Euro zur Deckung der Wohnungsmiete. Die monatliche Kaltmiete betrug seit Juni 2016 574,34 Euro, zusätzlich war ein Heizkostenvorschuss in Höhe von 90 Euro zu zahlen.

Der Mieter lebte seit seinem 5. Lebensjahr in der Wohnung des Mehrfamilienhauses aus dem Jahr 1929 und nutzte diese inzwischen allein. Der Mietvertrag aus dem Jahr 1962 wurde mit den Eltern des Klägers abgeschlossen.

Die Vermieterin führte umfangreiche Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen durch und erhöhte Ende März 2016 mit Wirkung zum 01.0.2017 die Miete um 240 Euro monatlich. Der Kläger wandte ein, dass die Mieterhöhung für ihn eine finanzielle Härte bedeute, und erhob Klage auf Feststellung, dass er nicht zur Zahlung der verlangten Mieterhöhung verpflichtet sei.

Konkret ließ die Vermieterin die Geschossdecke dämmen, dies rechtfertigt nach ihrer Auffassung eine Erhöhung von 4,16 Euro. 100 Euro rechtfertigte Sie durch die Vergrößerung des Balkons um 5 Quadratmeter und 70 Euro durch die Wiederinbetriebnahme eines in den 1970-igern stillgelegten Fahrstuhls. Ein Anspruch auf weitere 65,84 Euro sei durch die Dämmung der Fassade entstanden.

Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Amtsgericht beschied, dass der Mieter lediglich nicht zur Zahlung der Mieterhöhung von 70 Euro für die Wiederinbetriebnahme des Fahrstuhls verpflichtet sei. Die restliche Erhöhung um 170 Euro müsse er akzeptieren.

Auf Berufung des Mieters hat das Landgericht das Urteil abgeändert. Aufgrund des Härtefalls sei der Mieter nur verpflichtet eine monatliche Mieterhöhung von 4,16 Euro für die Dämmung der Geschossdecke anzuerkennen.

Die weiteren Mieterhöhungen von 100 Euro für den Balkonanbau und 65,84 Euro für die Dämmung der Außenfassade seien unwirksam. Sie bedeuten für den Mieter eine finanzielle Härte, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Vermieterin, nicht zu rechtfertigen sei.

Die Vermieterin ging in die Revision und machte vor allem geltend, dass der Mieter in einer für einen Einpersonenhaushalt zu großen Wohnung lebe. Sie sei nicht verpflichtet, den „Luxus“ des Mieters zu finanzieren. Dabei orientierte sie sich an den Vorschriften, die für staatliche Transferleistungen gelten. Demnach sei eine Wohnfläche von 50 Quadratmeter angemessen, die Wohnung des Klägers habe aber 86 Quadratmeter.

Letztendlich gelangte das Verfahren zum BGH. Dieser hat eine sehr komplexe Entscheidung gefällt, die sich sowohl mit der angemessenen Wohnungsgröße, der Möglichkeit die Mieterhöhung durch Untervermietung aufzufangen, als auch mit den Maßnahmen befasst, die ein Mieter dulden muss.

Das Urteil des BGH zur Wohnungsgröße

Der BGH ließ den Einwand der Vermieterin nicht durchgreifen. Nach § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB sei eine Abwägung der beiderseitigen Interessen erforderlich. Die Ausführungsvorschriften zur Gewährung von staatlichen Transferleistungen oder die Vorschriften für die Bemessung von Zuschüssen für den öffentlich geförderten Wohnungsbau sind kein allgemeines Maß für einen angemessenen Wohnraum. Unangemessen wäre, wenn der Mieter gemessen an seinen Bedürfnissen und wirtschaftlichen Verhältnissen eine zu große Wohnung nutzt.

Bei staatlichen Transferleistungen soll sichergestellt sein, dass sich ein Hilfebedürftiger nicht auf Kosten der Allgemeinheit eine zu große Wohnung leistet. Die Bestimmung des § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB verfolgt einen anderen Regelungszweck.

Hier steht das Interesse des Mieters, einen Lebensmittelpunkt beizubehalten dem Refinanzierungsinteresse des Vermieters gegenüber. Zu berücksichtigen ist, dass er die Entscheidung des Vermieters zu Modernisieren nicht beeinflussen kann.

Vermieter wie auch Mieter stehen unter dem Schutz der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG. Daher kann der Mieter bei der Anwendung der Härteregelung nach § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB verlangen, dass die Gerichte die Bedeutung und Tragweite seines Bestandsinteresses hinreichend berücksichtigen. Aus diesem Grund kann eine unangemessene Größe der Wohnung nicht allein an der Anzahl der Bewohner festgemacht werden. Der BGH ist der Auffassung, dass der Einzelfall zu betrachten ist und auch die Verwurzelung des Mieters in der Wohnung und seine gesundheitliche Verfassung zu berücksichtigen sind.

Im vorliegenden Fall hat der Mieter seit dem Jahr 1962 also für rund 55 Jahren in der Wohnung gelebt. Aus diesem Grund sei ihm nicht vorzuhalten, dass er „über seine Verhältnisse“ lebe.

Auslassung zu einer möglichen Untervermietung

Mit dem pauschalen Einwand des Prozessbevollmächtigten der Vermieterin, der Kläger sei zur Untervermietung gehalten gewesen, der erstmals in der Revisionsverhandlung eingebracht wurde, musste sich der BGH nicht befassen. Dies ist ein neuer Sachvortrag, für den die Vermieterin darlegungs- und beweispflichtig ist. Es blieb daher offen, ob die Wohnung zur Untervermietung geeignet ist, die Vermieterin einer solchen zu den bisherigen Konditionen zustimmt und ob dem Mieter ein Zusammenleben mit einem Untermieter zuzumuten ist.

Entscheidungen, welche Maßnahmen Mieter dulden müssen

Das Berufungsurteil musste aufgehoben werden und an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, weil dieses die Ausnahmefälle des § 559 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB nicht berücksichtigt hat. Diese legen fest, bei welchen Maßnahmen der Einwand der Härte nicht möglich ist.

Das Berufungsgericht habe versäumt die Vergrößerung der Balkone auf 5 Quadratmeter im Hinblick auf einen allgemein üblichen Zustand zu überprüfen. Dies sei gegeben, wenn bei mindestens 2/3 aller vergleichbaren Gebäude in der Region solche vorhanden sind. Allein der Umstand, dass der Berliner Mietspiegel einen Balkon ab 4 Quadratmeter Fläche als wohnwerterhöhendes Merkmal einstuft, reicht nicht aus, um den größeren Balkon als üblich zu betrachten.

Bei der Fassadendämmung hat das Berufungsgericht verkannt, dass § 9 Abs. 1 EnEV (Neuregelung seit Ende 2020 in § 47 GEG) Hauseigentümer nur zur Wärmedämmung verpflichtet, wenn der Außenputz erneuert wird. Eine Pflicht den Putz zu erneuern gibt es dagegen nicht. Somit liegt die Entscheidung alleine im Ermessen des Vermieters. § 559 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 BGB schließt den Härteeinwand des Mieters aber nur für Maßnahmen aus, zu denen der Vermieter verpflichtet ist. Lediglich wenn die Erneuerung des Außenputzes aus technischer Sicht zwingend war, wäre der Vermieter in einer Zwangslage, welche den Härtefall ausschließt.

Aus dem Urteil des BGH geht hervor, dass grundsätzlich die Härte für den Mieter und das wirtschaftliche Interesse des Vermieters auf Refinanzierung der Modernisierungskosten detailliert abzuwägen sind. Eine zu große Wohnungsgröße alleine rechtfertigt das Ablehnen eines Härtefalls nicht. Auch ist zu berücksichtigen, ob der Vermieter zur Sanierung gezwungen ist oder ob er im eigenen Ermessen handelt.

Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 09.10.2019